Behavior Based Safety & Nudging

„Behavior Based Safety“ oder ins Deutsche übersetzt „Verhaltensorientierter Arbeitsschutz“ stellt eine neue Methode zur Etablierung einer effektiven betrieblichen Sicherheitskultur dar.

Doch wie kam es zu dieser neuen Methodik und was hat es damit konkret auf sich?

Der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung zufolge konnte im letzten Jahrzehnt ein enormer Rückgang der Unfallzahlen verzeichnet werden. Verantwortlich dafür ist die Verbesserung der Unfallprävention – sei es auf technischer oder organisatorischer Ebene. Auf der persönlichen Ebene konnten die statistischen Auswertungen keinen starken Rückgang der Unfallzahlen identifizieren. Vielmehr konnte festgestellt werden, dass ca. 90 Prozent aller Arbeitsunfälle durch menschliches Fehlverhalten ausgelöst werden. Dies hat die Konsequenz, dass die zukünftige Präventionsarbeit nicht nur anhand technischer Maßnahmen, sondern vielmehr auch menschenzentriert und partizipativ gestaltet werden sollte.

Eine Möglichkeit für die partizipative Gestaltung des Arbeitsschutzes bietet demnach die verhaltensorientierte Arbeitssicherheit, in Fachkreisen auch „Behavior Based Safety“ (BBS) genannt. Mit dieser Methodik sollen Belehrungen, Druck und Sanktionen in der Arbeitssicherheit abgelöst werden. Stattdessen finden evidenzbasierte Erkenntnisse aus den Verhaltenswissenschaften ihre Anwendung.

Ein Beispiel für Behavior Based Safety auf Baustellen liefert eine Fallstudie von Rafiq Choudhry aus dem Jahr 2014. Dort wurde ein Interventionsprogramm zur Förderung der Sicherheitskultur durchgeführt, das eine signifikante Zunahme des sicheren Verhaltens zeigte. Der Interventionsansatz betraf die Themenfelder Zielsetzungen, Feedback und Sicherheitsverhalten. Ebenso interessant ist dabei die Tatsache, dass diese verhaltensorientierten Maßnahmen branchen- und kulturübergreifend angewendet werden können. Somit also nicht nur für die Baustellensicherheit interessant!

Doch wie erreicht man konkret, dass Arbeitnehmende an die persönliche Schutzausrüstung denken, ihre Arbeitsumgebung ordentlich halten oder auch andere zum Arbeits- und Gesundheitsschutz motivieren? „Nudge“ – so heißt die Zauberformel, mit der man Menschen dazu bewegen kann, richtige Entscheidungen zu treffen. Im Englischen bedeutet das Verb „to nudge“ jemanden „sanft zu schubsen“. Man macht eine Person also auf etwas aufmerksam, erinnert oder warnt sie vor etwas. Mit einem solchen Schubser bekommen Menschen einen „Anstoß in die richtige Richtung“. Die Gestaltung vom sozialen, physischen und psychischen Entscheidungskontext soll die Person im Moment der Entscheidung zielführend beeinflussen. Ein Nudge stellt keine Anordnung, Gebot oder Verbot dar, sondern ist vielmehr ein Anstoß, der ebenfalls leicht zu umgehen ist.

Da es sich hier jedoch um eine Art psychologischer Manipulation handelt, ist die transparente Ausführung der Nudges von großer Bedeutung. Wenn sie so unterschwellig wirken, dass wir sie kaum mitbekommen, besteht die Gefahr, dass sich Arbeitnehmende bevormundet fühlen. Und das wäre alles andere als effektiv, denn besonders im Arbeits- und Gesundheitsschutz ist die Beteiligung der Mitarbeitenden besonders wichtig. Zur Erarbeitung eines individuellen Nudging-Konzepts ist daher ein gemeinsamer Diskurs mit den beteiligten Personen und Führungskräften zu empfehlen. Dazu werden die riskanten Situationen vorgestellt und gemeinsam verschiedene Nudging-Techniken mit kreativen Ideen gestaltet. So konnte z.B. mit Poster-Designs und griffigen Slogans die Handhygiene in einem Krankenhaus oder mit Lebensmittelampeln das Ernährungsverhalten im Handel verbessert werden. In der Industrie gibt es viele Möglichkeiten zur Platzierung von Nudges im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion. Dort wird mit speziellen Technologien zur Beeinflussung des Sicherheitsverhaltens gearbeitet. So werden z.B. Roboter mit Avatars oder Ampeln eingesetzt, die ein Feedback zum Sicherheitsverhalten geben. Aber auch im Home-Office kann mit digitalen Kaffeepausen der Zusammenhalt innerhalb der Belegschaft gefördert werden. Behavior Based Safety und Nudging kann daher branchenweit eingesetzt werden – und dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Sie wollen auch kreativ werden und mithilfe der Nudging-Methode den ersten Schritt in Richtung Behavior Based Safety gehen? Sprechen Sie uns an – wir beraten Sie gerne.

    Quellen:

    • Hartwig, M. (2016). Sicher und gesund durch persuasive Technologien?. Laborexperimentelle Untersuchungen zum Einfluss persuasiver Assistenzsysteme auf sicheres und gesundheitsgerechtes Verhalten bei der Arbeit. 1. Auflage. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Seiten 232, Projektnummer: F 2327, Papier, PDF-Datei, DOI: 10.21934/baua:bericht20170418
    • Choudhry, R. M. (2014). Behavior-based safety on construction sites: a case study. Accident; Analysis and Prevention, 70, 14-23. https://doi.org/10.1016/j.aap.2014.03.007
    • Lorbach, A. (2021). Nudging im Unternehmen in Bezug auf das Sicherheits- und Gesundheitsverhalten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter besonderer Berücksichtigung der Corona-Pandemie, Social Policy in Demand: A Working Paper Series 2021/02, Department of Social Policy and Social Securities, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
    • Leonard, T.C. Richard H. Thaler, Cass R. Sunstein, Nudge: Improving decisions about health, wealth, and happiness. Const Polit Econ 19, 356–360 (2008). https://doi.org/10.1007/s10602-008-9056-2
    • Erasmus V, Daha TJ, Brug H, et al. Systematic review of studies on compliance with hand hygiene guidelines in hospital care. Infect Control Hosp Epidemiol 2010;31:283–294
    • Arno, A. , Steve, T. (2016). The efficacy of nudge theory strategies in influencing adult dietary behaviour: a systematic review and meta-analysis, in: BMC Public Health, 16 – 676.

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